Geschädigter muss nicht über Schadengutachten hinaus warten
Das Amtsgericht (AG) Pforzheim hat in einem Urteil vom 27. März klargestellt, dass ein Unfallgeschädigter nicht verpflichtet ist, längere Zeit auf ein Restwertangebot der gegnerischen Versicherung zu warten. Spätestens wenn ein Sachverständiger ein Schadengutachten erstellt und einen Restwert damit korrekt ermittelt hat, würde ein längeres Zuwarten die Dispositionsfreiheit des Geschädigten einschränken, so die Richter (AZ: 13 C 21/14).
Das AG hatte in der vorliegenden Entscheidung darüber zu befinden, ob den Anspruchssteller aus einem Kfz-Haftpflichtschaden eine Schadenminderungspflicht dahingehend trifft, abzuwarten, bis die gegnerische Haftpflichtversicherung ausreichend Zeit hatte, eigene Restwertangebote zu ermitteln. Der Geschädigte sah sich als berechtigt an, zeitnah nach Erhalt des Schadengutachtens, sein beschädigtes Fahrzeug zu dem dort ermittelten Restwert zu veräußern. Weiterhin ging es in diesem Rechtsstreit um die Frage der Höhe der erstattungsfähigen Mietwagenkosten.
Das Pforzheimer Gericht bestätigte in seiner Entscheidung die Auffassung des Geschädigten. Der Kläger habe nicht gegen seine Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB verstoßen, indem er schon kurze Zeit nach der Übersendung des Sachverständigengutachtens an die Beklagte, das Fahrzeug zum ermittelten Preis von 2000 Euro veräußerte, heißt es im Urteil. Daran ändere auch nichts, dass er durch sein Handeln das durch die Beklagte später übermittelte Angebot in Höhe von 3530 Euro nicht mehr annehmen konnte.
Wörtlich heißt es dazu in der Urteilsbegründung:
„Zum Zeitpunkt der Veräußerung lag dem Kläger kein entsprechendes Angebot vor. Der Kläger hat auch nicht durch sein rasches Handeln gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Ihn traf keine Wartepflicht, weil ihn als Geschädigten schon keine Verpflichtung trifft, dem Schädiger oder dessen Versicherung das Gutachten mit Restwertschätzung zu übermittelt (BGH Urt. v. 06.04.1 993, VI ZR 181/92 = NJW 1993, 1849; Grüneberg , a.a.O.). Der Gegenansicht des OLG Köln (Beschl. v. 16.07.2012, 13 U 80/12 = NJW-RR 2013, 224) wird angesichts des Grundsatzes der Ersetzungsbefungnis nicht gefolgt.“
„Wenn ihn schon keine Pflicht trifft, das Gutachten zu übermitteln, so kann ihn erst recht keine Pflicht treffen, nach Übermittlung des Gutachtens einen bestimmten Zeitrahmen abzuwarten, bis er auf Grundlage des Sachverständigengutachtens sein Fahrzeug verkauft, und dem Schädiger somit Gelegenheit zu geben, ein höheres Restwertangebot vorzulegen.“
Bedeutung für die Praxis
Auch das AG Pforzheim schließt sich der überaus mehrheitlichen Rechtsprechung an, dass die Versicherung keinen Anspruch darauf besitzt, dass der Geschädigte mit der Veräußerung des Fahrzeuges abwartet, bis die Versicherung ein eigenes Restwertangebot ermittelt und übersandt hat. Dies schränkt die Dispositionsfreiheit überobligationsmäßig ein. Der Geschädigte hat daher nach wie vor die Möglichkeit, auf der Grundlage des Schadengutachtens seinen Restwert zu realisieren.