Ergibt sich aus Inhalt und Anlagen der Klageschrift, dass eine falsche Partei als Beklagter genannt wird, muss das Gericht die Klage an den richten Beklagten zustellen: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.02.2014, 2 AZR 248/13
Wer eine Kündigungsschutzklage gegen den falschen Beklagten richtet, bekommt nach einiger Zeit ein Problem, denn Kündigungsschutzklagen sind fristgebunden (3WochenFrist) einzureichen.
Stellt sich nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist heraus, dass der Prozess gegen den falschen Beklagten geführt wurde, ist der Arbeitnehmer möglicherweise der Dumme, weil infolge des Fristablaufs gegen die Kündigung nichts mehr zu machen ist.
Wenn sich allerdings aus der Klageschrift und ihren Anlagen, d.h. den in Kopie beigefügten Vertragsunterlagen, Gehaltsabrechnungen usw. ergibt, dass der Kläger in seiner Klage einen falschen Beklagten genannt hat und dass stattdessen ein anderer der richtige Beklagte ist, muss das Arbeitsgericht den Prozess in die richtige Bahn lenken. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem aktuellen Urteil bekräftigt: BAG, Urteil vom 20.02.2014, 2 AZR 248/13.
Vollständiges Urteil des BUNDESARBEITSGERICHT vom 20.2.2014, 2 AZR 248/13:
Parteibezeichnung – Prozessstandschaft
Leitsätze
Geht aus der Klageschrift oder ihren Anlagen deutlich hervor, dass der klagende Arbeitnehmer „zivile Arbeitskraft“ im Sinne von Art. 56 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut ist, kann als die wahre Beklagte einer gegen den Entsendestaat als Arbeitgeber gerichteten Klage die Bundesrepublik Deutschland als Prozessstandschafterin anzusehen sein.
Tenor
1. Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 5. September 2012 – 2 Sa 398/12 – und das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 25. Januar 2012 – 1 Ca 1235/11 – einschließlich des Versäumnisurteils vom 11. November 2011 aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren – an das Arbeitsgericht Herford zurückverwiesen.
3. Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland ist nicht verklagt und wird aus dem Rechtsstreit entlassen. Seine außergerichtlichen Kosten trägt der Kläger.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
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Der Kläger war seit 2001 bei den britischen Stationierungsstreitkräften am Standort Herford beschäftigt. Mit Schreiben vom 17. Mai 2011 wurde er darüber unterrichtet, es sei beabsichtigt, seinen Einsatzbereich „Facilities Management“ mit Wirkung zum 8. August 2011 auf ein privates Unternehmen zu übertragen. Am 10. Juni 2011 widersprach er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses.
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Mit Schreiben vom 20. September 2011 kündigte die „Herford Office Gütersloh Garrison Labour Support Unit – Britische Arbeits- und Personalverwaltung“ das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 29. Februar 2012.
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Mit seiner am 10. Oktober 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen, gegen das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland gerichteten Klage hat sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der Kündigung gewandt. In der Klageschrift gab er an, im Betrieb als Bauingenieur tätig zu sein. Der Klageschrift waren von den „Britischen Streitkräften, vertr. durch Kreis Soest – Lohnstelle“ ausgestellte Entgeltabrechnungen beigefügt. Sie wiesen die Zahlung von „Tariflohn“ sowie die nach dem deutschen Sozialversicherungs- und Steuerrecht vorgesehenen gesetzlichen Abzüge aus. In dem ebenfalls beigefügten Kündigungsschreiben wurde darauf hingewiesen, dass „das Mitwirkungsverfahren mit der örtlichen Betriebsvertretung … vor Ausspruch dieser Kündigung ordnungsgemäß durchgeführt und abgeschlossen [worden sei]“ und „der Tarifvertrag über Rationalisierungs-, Kündigungs- und Einkommensschutz (SchutzTV) … entsprechend Anwendung [finde]“.
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In seiner Klageerwiderung vom 3. November 2011 wies das beklagte Königreich darauf hin, dass die Klage gem. Art. 56 Abs. 8 Satz 2 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (ZA-NTS) gegen die Bundesrepublik Deutschland zu richten sei. Der Kläger hat daraufhin beantragt, das Passivrubrum entsprechend zu berichtigen. Er hat die Ansicht vertreten, eine Auslegung der Klageschrift nebst ihrer Anlagen ergebe, dass sich die Klage von Anfang an gegen die Bundesrepublik Deutschland als Prozessstandschafterin für das Vereinigte Königreich gerichtet habe. Er habe die richtige Beklagte lediglich unrichtig bezeichnet. Die ihm gegenüber erklärte Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt, sein Arbeitsplatz sei nicht weggefallen.
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Der Kläger hat beantragt, nach Berichtigung des Passivrubrums
1. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung seitens der Britischen Streitkräfte vom 20. September 2011 nicht aufgelöst worden ist;
2. festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst worden ist oder werden wird;
3. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Kündigung als Bauingenieur weiter zu beschäftigen.
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Das Vereinigte Königreich hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, es sei mit Blick auf Art. 56 Abs. 8 ZA-NTS zu Unrecht verklagt worden. Eine Berichtigung des Passivrubrums komme nicht in Betracht. Die Kündigung gelte bereits wegen Versäumung der Klagefrist nach § 4 Satz 1, § 7 KSchG als wirksam. Überdies sei sie sozial gerechtfertigt. Durch die Auslagerung des Bereichs „Facilities Management“ sei der Arbeitsplatz des Klägers entfallen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Versäumnisurteil abgewiesen und dieses nach Einspruch des Klägers aufrechterhalten. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte die Klage nicht mit der Begründung abweisen, die Kündigung gelte nach § 4 Satz 1, § 7 KSchG als sozial gerechtfertigt, weil die Klage nicht fristwahrend erhoben worden sei. Diese Begründung ist selbst dann unrichtig, wenn sich die Klage – wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat – tatsächlich gegen das Vereinigte Königreich richten sollte. Diesem gegenüber wäre sie nicht wegen Fristversäumnis, sondern mangels seiner Prozessführungsbefugnis abzuweisen gewesen. In Wirklichkeit ist indessen nicht das Vereinigte Königreich, sondern die Bundesrepublik Deutschland als dessen Prozessstandschafterin die Beklagte des Rechtsstreits. Die bisher gegenüber dem Vereinigten Königreich ergangenen Urteile waren aufzuheben. Die Sache war zur Verhandlung und Entscheidung über die Klage gegen die Bundesrepublik an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.
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I. Wahre Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits ist die Bundesrepublik Deutschland als Prozessstandschafterin für das Vereinigte Königreich. Die unzutreffende Parteibezeichnung ist unschädlich. Sie kann mit der Folge berichtigt werden, dass die Klage als von Anfang an gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet anzusehen ist.
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1. Der Kläger stand zum Vereinigten Königreich in einem Beschäftigungsverhältnis als „zivile Arbeitskraft“ bei dessen in Deutschland stationierten Streitkräften. Mit seiner Klage wehrt er sich gegen die Wirksamkeit einer von seinem Arbeitgeber erklärten Kündigung. Eine solche Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis unterliegt nach Art. 56 Abs. 8 Satz 1 des ZA-NTS der deutschen Gerichtsbarkeit. Nach Satz 2 der Bestimmung sind Klagen gegen den Arbeitgeber nicht gegen diesen, sondern gegen die Bundesrepublik zu richten. Als beklagte Partei ist deshalb bei der Klage einer zivilen Arbeitskraft aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Vereinigten Königreich die Bundesrepublik Deutschland als gesetzliche Prozessstandschafterin aufzuführen.
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2. Die Parteien eines Prozesses sind vom Kläger in der Klageschrift zu bezeichnen. Ist die Bezeichnung nicht eindeutig, so ist die Partei durch Auslegung zu ermitteln.
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a) Selbst bei äußerlich eindeutiger, aber offenkundig unrichtiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei angesprochen, die nach der Rechtslage die „richtige“ ist und mit der Parteibezeichnung erkennbar gemeint sein soll. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist (BAG 28. August 2008 – 2 AZR 279/07 – Rn. 14; 1. März 2007 – 2 AZR 525/05 – Rn. 12). Entscheidend für die Möglichkeit einer Berichtigung ist die Wahrung der rechtlichen Identität der Partei. Ist die „wirkliche“ Partei nicht dieselbe, liegt keine „Berichtigung“ vor, sondern es wird im Wege der Parteiänderung eine andere Partei in den Prozess eingeführt.
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b) Eine nur ungenaue oder erkennbar falsche Parteibezeichnung ist unschädlich und kann jederzeit von Amts wegen richtig gestellt werden (BAG 28. August 2008 – 2 AZR 279/07 – Rn. 14; 1. März 2007 – 2 AZR 525/05 – Rn. 12). Die durch das Grundgesetz gewährleisteten Verfassungsgarantien verbieten es, den Zugang zu den Gerichten in einer aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren. Dementsprechend darf eine Klageerhebung nicht an unvollständigen oder fehlerhaften Bezeichnungen der Parteien scheitern, solange diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen (vgl. BVerfG 9. August 1991 – 1 BvR 630/91 -; BAG 28. August 2008 – 2 AZR 279/07 – aaO). Für die Parteistellung in einem Prozess ist deshalb nicht allein die formelle Bezeichnung der Partei in der Klageschrift maßgebend (BAG 1. März 2007 – 2 AZR 525/05 – Rn. 13; 21. September 2006 – 2 AZR 573/05 – Rn. 25). Ergibt sich in einem Kündigungsschutzprozess aus den gesamten erkennbaren Umständen, etwa aus dem der Klageschrift beigefügten Kündigungsschreiben, wer als beklagte Partei gemeint ist, ist die Berichtigung des Rubrums regelmäßig möglich (BAG 28. August 2008 – 2 AZR 279/07 – Rn. 15; 1. März 2007 – 2 AZR 525/05 – aaO). Eine Rubrumsberichtigung ist auch vorzunehmen, wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person gewählt wird, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist (BAG 12. Februar 2004 – 2 AZR 136/03 – zu B I 1 b der Gründe). Das ist etwa der Fall, wenn nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Klage gegen die Schuldnerin anstatt – richtigerweise – gegen den Insolvenzverwalter gerichtet wird und sich aus der Klageschrift oder den beigefügten Unterlagen entnehmen lässt, dass das Insolvenzverfahren gegen die Schuldnerin eröffnet worden ist (BAG 21. September 2006 – 2 AZR 573/05 – Rn. 25).
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3. Das Revisionsgericht hat die in der Klageschrift enthaltene Parteibezeichnung als prozessuale Willenserklärung selbst auszulegen (BAG 28. August 2008 – 2 AZR 279/07 – Rn. 16; 1. März 2007 – 2 AZR 525/05 – Rn. 16). Hierbei kommt es darauf an, welchen Sinn diese Erklärung aus objektiver Sicht hat, welchen Inhalt ihr also Gericht und Prozessgegner bei objektiver Betrachtung beilegen mussten (BAG 28. August 2008 – 2 AZR 279/07 – aaO; BGH 15. Mai 2006 – II ZB 5/05 -). Der Auslegung ist das tatsächliche Vorbringen der klagenden Partei zugrunde zu legen. Auf deren Rechtsauffassung kommt es nicht an (BAG 28. August 2008 – 2 AZR 279/07 – aaO; 1. März 2007 – 2 AZR 525/05 – aaO; so auch schon RG 25. Mai 1938 – II 165/37 – RGZ 157, 369).
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4. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war die Klage nach ihrem objektiven Sinngehalt von vornherein gegen die Bundesrepublik Deutschland als Prozessstandschafterin für das Vereinigte Königreich gerichtet.
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a) Dies ergibt sich allerdings nicht bereits aus der Klageschrift als solcher. Dort ist als beklagte Partei das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland angegeben. Dieses ist, wie dort ferner ausgeführt, der Arbeitgeber des Klägers. Die Bezeichnung der beklagten Partei gibt deshalb keinen Anlass zu der Annahme, der Kläger habe die Klage tatsächlich gegen eine andere Person richten wollen. Auch die in der Klageschrift angegebenen Vertretungsverhältnisse auf Beklagtenseite sind eindeutig. Sie enthalten keinen Hinweis auf die (prozessführungsbefugte) Bundesrepublik Deutschland.
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b) Die Klage war auch nicht schon aufgrund des Rechts der Prozessstandschaft von vornherein gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Die Zivilprozessordnung sieht nicht vor, dass der Prozessstandschafter, ohne dass gegen ihn Klage erhoben würde, mit der Klageerhebung gegen den materiell Berechtigten automatisch dessen Position einnähme (BAG 13. Juli 1989 – 2 AZR 571/88 -).
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c) Aus den der Klageschrift beigefügten Anlagen ergeben sich dagegen deutliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zivile Arbeitskraft iSv. Art. 56 ZA-NTS ist. Bei Berücksichtigung dieses Umstands wiederum bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Kläger die Klage in Wirklichkeit nicht gegen das Vereinigte Königreich, sondern entsprechend Art. 56 Abs. 8 Satz 2 ZA-NTS gegen die Bundesrepublik Deutschland als dessen Prozessstandschafterin richten wollte.
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aa) Den Anlagen zur Kündigungsschutzklage ist mit ausreichender Sicherheit zu entnehmen, dass der Kläger zivile Arbeitskraft iSv. Art. 56 Abs. 1a ZA-NTS ist. Die Entgeltabrechnungen weisen aus, dass der Kläger bei den britischen Streitkräften beschäftigt ist, sein Arbeitsverhältnis aber den deutschen sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Regelungen unterliegt. Da gem. Art. 56 Abs. 3 ZA-NTS auf die bei einer Truppe und einem zivilen Gefolge beschäftigten Arbeitskräfte die Vorschriften des deutschen Rechts über die Sozialversicherung Anwendung findet, spricht dieser Umstand dafür, dass der Kläger in einem Beschäftigungsverhältnis als zivile Arbeitskraft iSv. Art. 56 Abs. 1a ZA-NTS steht. Dies wird durch den im Kündigungsschreiben enthaltenen Hinweis darauf bestätigt, dass das Mitwirkungsverfahren mit der örtlichen Betriebsvertretung durchgeführt worden sei. Eine Mitwirkungsbefugnis der Betriebsvertretung kommt nur in Betracht, wenn der Stelleninhaber als zivile Arbeitskraft iSd. Art. IX Abs. 4 NTS, Art. 56 Abs. 1a ZA-NTS eingestellt worden ist (vgl. BAG 28. Mai 2002 – 1 ABR 35/01 – zu B II 2 c cc der Gründe, BAGE 101, 232; 23. Juli 1981 – 6 ABR 74/78 – zu II 2 a der Gründe, BAGE 35, 370). Aus dem Kündigungsschreiben ergibt sich überdies, dass auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag über Rationalisierungs-, Kündigungs- und Einkommensschutz (SchutzTV) entsprechend Anwendung findet. Dieser Tarifvertrag gilt gem. § 1 Abs. 1 für alle Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags TV AL II fallen. Dieser wiederum gilt nur für die bei den Stationierungsstreitkräften in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer als „zivile Arbeitskräfte“ iSd. Art. 56 ZA-NTS. Der Kläger konnte damit ausweislich der Klageschrift und ihren Anlagen nicht etwa ebenso gut zu einer Gruppe von Beschäftigten gehören, die den Regelungen des Art. 56 ZA-NTS nicht unterfällt.
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bb) Angesichts dieser Umstände besteht bei objektiver Betrachtung kein vernünftiger Zweifel daran, dass der Kläger seine Klage – wie in Art. 56 Abs. 8 ZA-NTS vorgesehen – von Anfang an gegen die allein prozessführungsbefugte Bundesrepublik Deutschland richten wollte. Dies konnten auch das Vereinigte Königreich und das Arbeitsgericht erkennen. Eines ausdrücklichen Hinweises auf die Prozessstandschaft der Bundesrepublik Deutschland oder deren förmliche Bezeichnung als beklagte Partei bedurfte es nicht. Dadurch würde der Zugang zum Gericht in einer aus Sachgründen nicht gerechtfertigten Weise erschwert (dazu BVerfG 9. August 1991 – 1 BvR 630/91 -; BAG 12. Februar 2004 – 2 AZR 136/03 – zu B I 1 b der Gründe).
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(1) Durch die Bestimmung des Art. 56 Abs. 8 ZA-NTS rückt die Bundesrepublik – anders als etwa der Insolvenzverwalter – ohnehin nicht von Amts wegen in die Stellung des Arbeitgebers ein. Sie übernimmt aufgrund dieser Regelung lediglich die Prozessstandschaft. Die Arbeitgeberstellung des Entsendestaats bleibt erhalten. Mit einer gegen ihn erhobenen Klage wegen Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis ist folglich durchaus der materiell-rechtlich „richtige“ Gegner erfasst. Umso näher liegt die Annahme, dass der Kläger lediglich aus diesem Grund das Vereinigte Königreich und nicht die Bundesrepublik Deutschland als Beklagte aufgeführt hat.
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(2) Schutzwürdige Interessen der Beteiligten stehen der Klarstellung des Passivrubrums nicht entgegen. Für das Vereinigte Königreich als Arbeitgeber wurde durch die ihm zugestellte Kündigungsschutzklage zeitnah hinreichend deutlich, dass der Kläger die ihm gegenüber erklärte Kündigung nicht hinzunehmen bereit ist. Die gesetzlich mit der Prozessführung betraute Bundesrepublik Deutschland muss mangels eigener materiell-rechtlicher Interessen nicht davor geschützt werden, erst geraume Zeit nach Ausspruch der Kündigung mit einer ihr bis dato unbekannten Klage konfrontiert zu werden (so auch HaKo/Gallner 4. Aufl. § 4 KSchG Rn. 41).
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cc) Diese Auffassung steht nicht im Widerspruch zur Senatsentscheidung vom 13. Juli 1989 (- 2 AZR 571/88 -). Dort war – anders als hier – aus keinerlei Umstand, auch nicht aus den Anlagen zur Klageschrift erkennbar, dass der Kläger als zivile örtliche Arbeitskraft iSv. Art. 56 Abs. 1a, Abs. 8 ZA-NTS beschäftigt war.
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5. Im Übrigen musste das Arbeitsgericht erkennen, dass der Kläger das Verfahren unter keinen Umständen weiter gegen das Vereinigte Königreich betreiben wollte, nachdem dieses ihn zu Recht auf die Prozessstandschaft der Bundesrepublik Deutschland hingewiesen hatte. Sein Antrag auf Rubrumsberichtigung war dahin zu verstehen, dass er hilfsweise einen Parteiwechsel herbeiführen wolle (zu dieser Möglichkeit BGH 10. März 2011 – VII ZR 54/10 – Rn. 21). Unabhängig von der Frage, was ein solcher Wechsel für die Einhaltung der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG bedeutet hätte, durfte das Arbeitsgericht deshalb dem Verfahren gegen das Vereinigte Königreich seit Eingang dieses Antrags nicht weiter Fortgang geben. Im Verhältnis zum Vereinigten Königreich konnte der Kläger in keinem Fall obsiegen.
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II. Der Rechtsstreit war unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen zur Verhandlung und Entscheidung an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.
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1. Das Bundesarbeitsgericht kann den Rechtsstreit – ausnahmsweise – an das Arbeitsgericht zurückverweisen, wenn schon das Landesarbeitsgericht die Sache an das Arbeitsgericht hätte zurückverweisen dürfen (BAG 18. Oktober 2006 – 2 AZR 563/05 – Rn. 32, BAGE 120, 27; GMP/Müller-Glöge ArbGG 8. Aufl. § 74 Rn. 133; Schwab/Weth/Ulrich ArbGG 3. Aufl. § 75 Rn. 8).
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a) Zwar ist im Arbeitsgerichtsprozess die Zurückverweisung des Rechtsstreits durch das Landesarbeitsgericht wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts gem. § 68 ArbGG unzulässig. Die Vorschrift schränkt die in § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO für diesen Fall vorgesehene Möglichkeit der Zurückverweisung an die erste Instanz ein (vgl. GMP/Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 68 Rn. 1). Im arbeitsgerichtlichen Verfahren hat das Berufungsgericht grundsätzlich selbst in der Sache zu entscheiden. Die Vorschrift dient der Prozessbeschleunigung (BAG 4. Dezember 1958 – 2 AZR 282/57 – zu 3 der Gründe, BAGE 7, 99). Sie gilt auch bei schwerwiegenden Verfahrensfehlern (GMP/ Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 68 Rn. 2; ErfK/Koch 14. Aufl. § 68 ArbGG Rn. 1).
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b) Eine Zurückverweisung an das Arbeitsgericht kommt jedoch – neben den in § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 7 ArbGG genannten Fällen – ausnahmsweise in Betracht, wenn ein Verfahrensfehler vorliegt, der in der Berufungsinstanz nicht korrigiert werden kann (GMP/Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 68 Rn. 4; GK-ArbGG/Vossen § 68 Rn. 12; Düwell/Lipke/Maul-Sartori ArbGG 3. Aufl. § 68 Rn. 10; Hauck/Helml/Biebl ArbGG 4. Aufl. § 68 Rn. 4; ErfK/Koch 14. Aufl. § 68 ArbGG Rn. 2). Das ist etwa der Fall, wenn das Gericht erster Instanz eine Entscheidung getroffen hat, ohne dass – wirksam – Sachanträge gestellt worden wären (BAG 26. Juni 2008 – 6 AZR 478/07 – Rn. 20; 18. Oktober 2006 – 2 AZR 563/05 – Rn. 34, BAGE 120, 27).
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2. Ein solcher nicht behebbarer Verfahrensfehler liegt hier vor. Zwischen dem Kläger und der Bundesrepublik Deutschland als der wahren Beklagten ist bislang kein Prozessrechtsverhältnis zustande gekommen. Das Arbeitsgericht hat die dafür nach § 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 ZPO erforderliche Zustellung der Klageschrift nicht bewirkt. Das stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler dar. Das Landesarbeitsgericht konnte diesen nicht wirksam heilen. Es hätte zwar die Zustellung bewirken, aber nicht in der Sache entscheiden können. Eine nach § 528 ZPO der Überprüfung durch das Berufungsgericht unterliegende erstinstanzliche Entscheidung war zwischen den richtigen Parteien nicht ergangen. Schon das Landesarbeitsgericht hätte deshalb die arbeitsgerichtlichen Urteile aufheben und den Rechtsstreit trotz § 68 ArbGG an das Arbeitsgericht zurückverweisen müssen.
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3. Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das Arbeitsgericht die folgenden Erwägungen zu berücksichtigen haben.
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a) Gefordert ist zunächst die Zustellung der Klageschrift an die Bundesrepublik Deutschland als die wirkliche Beklagte.
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b) In materiell-rechtlicher Hinsicht wird das Arbeitsgericht prüfen müssen, ob der Kläger die Frist des § 4 Satz 1 KSchG trotz der mittlerweile eingetretenen Verzögerung gewahrt hat oder die Kündigung gem. § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam gilt.
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aa) Will ein Arbeitnehmer geltend machen, eine Kündigung sei sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam, muss er gem. § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach deren Zugang Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben. Die Erhebung der Klage erfolgt nach § 253 Abs. 1 ZPO durch Zustellung der Klageschrift. Wegen § 167 ZPO genügt zur Fristwahrung der Klageeingang bei Gericht, wenn die Zustellung „demnächst“ erfolgt. Wird die Rechtsunwirksamkeit nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt die Kündigung nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam.
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bb) Der Begriff „demnächst“ in § 167 ZPO kennt keine absolute zeitliche Grenze. Ob davon die Rede sein kann, die Zustellung der Klage sei „demnächst“ erfolgt, ist durch eine wertende Betrachtung der entsprechenden Umstände festzustellen. Verzögerungen im gerichtlichen Geschäftsbetrieb dürfen dabei nicht zu Lasten des Klägers gehen (BAG 23. August 2012 – 8 AZR 394/11 – Rn. 31, BAGE 143, 50; BGH 11. Februar 2011 – V ZR 136/10 – Rn. 6). Einen durch die Sachbearbeitung des Gerichts verursachten Aufschub muss der Kläger sich grundsätzlich nicht zurechnen lassen. Dies gilt auch bei längeren Verzögerungen (vgl. BAG 23. August 2012 – 8 AZR 394/11 – aaO; BGH 11. Februar 2011 – V ZR 136/10 – aaO mwN). Zugleich darf die zeitliche Rückwirkung der Zustellung dem Empfänger nicht unzumutbar sein. Dies ist umso eher der Fall, je länger eine Zustellung durch den Kläger selbst in vorwerfbarer Weise verzögert wird (BGH 11. Februar 2011 – V ZR 136/10 – aaO; 12. Juli 2006 – IV ZR 23/05 – BGHZ 168, 306; jeweils mwN). Geht es um Aufschübe, die vom Kläger zu vertreten sind, ist das Merkmal „demnächst“ nur erfüllt, wenn sich diese in einem hinnehmbaren Rahmen halten (BGH 3. Februar 2012 – V ZR 44/11 – Rn. 7). Das wiederum ist zumindest solange der Fall, wie die Verzögerung den Zeitraum von 14 Tagen nicht überschreitet (BGH 10. Februar 2011 – VII ZR 185/07 – Rn. 8 mwN). Dabei ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit gerade des Klägers verzögert hat (BGH 10. Februar 2011 – VII ZR 185/07 – aaO).
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cc) Im Streitfall hat der Kläger durch die fehlerhafte Parteibezeichnung einen Aufschub von allenfalls sechs Wochen verursacht. Dabei handelt es sich um den Zeitraum, der zwischen dem Eingang der Klage bei Gericht am 10. Oktober und dem Antrag auf Berichtigung des Rubrums vom 23. November 2011 liegt. Den Umstand, dass auch anschließend eine Zustellung an die Bundesrepublik unterblieben ist, haben allein die Gerichte zu vertreten. Das Arbeitsgericht wird zu erwägen haben, ob nicht auch die genannte Verzögerung nicht allein dem Kläger anzulasten ist, weil es möglicherweise selbst seine Hinweispflicht verletzt hat. Gemäß § 139 Abs. 3 ZPO hat das Gericht auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen. Die Vorschrift betrifft ua. die Prozessvoraussetzungen (Zöller/Greger ZPO 30. Aufl. § 139 Rn. 14). Zu diesen gehört auch die Prozessführungsbefugnis (Zöller/Vollkommer ZPO 30. Aufl. Vor § 50 Rn. 12). Ein entsprechender Hinweis hat gem. § 139 Abs. 4 ZPO „möglichst früh“ zu erfolgen. Eine Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht kann die Annahme rechtfertigen, der Kläger habe die Verzögerung der Zustellung lediglich bis zur ersten Möglichkeit einer Erteilung des gebotenen Hinweises zu vertreten.
37
c) Sollte das Arbeitsgericht nach erfolgter Zustellung der Klageschrift zu dem Ergebnis gelangen, die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG iVm. § 167 ZPO sei gewahrt, wird es zu prüfen haben, ob die Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist.
38
III. Da das Vereinigte Königreich nicht der wahre Beklagte ist, war es aus dem Rechtsstreit zu entlassen. Seine außergerichtlichen Kosten hat jedenfalls im Verhältnis zu ihm der Kläger zu tragen. Er hat die Klagezustellung an den falschen Beklagten veranlasst. Die anwaltliche Vertretung des Vereinigten Königreichs war im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig. Die Vorinstanzen haben es als die wirkliche Partei angesehen (vgl. dazu BGH 27. November 2007 – X ZR 144/06 – Rn. 18). Über die Gerichtskosten hat das Arbeitsgericht zu entscheiden. Dabei wird es auch das mögliche Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 GKG in den Blick zu nehmen haben.